Wenn „Mittelmaß“ zur normativen Kraft des Faktischen wird.

Definieren wir zunächst das Wort „Mittelmaß“. In der Schule steht dafür die Note 3 = befriedigend. Die Aufgaben einer Mathearbeit können objektiv in „richtig“ oder „falsch“ beurteilt werden, manchmal gibt es Punkte für den hinreichenden Lösungsweg. Werden mindestens 60% der Aufgaben richtig gelöst, ist das eine befriedigende Gesamtleistung. Diese Note hatte ich oft in der Schule – das war 1978!

 

Im letzten Jahr bin ich fast 30.000 km mit der Deutschen Bahn gefahren, oftmals die Strecke zwischen Nürnberg und Kassel. So sitzt man denn schön in einem ICE für ca. 50 Mio. € und fährt zwischen Nürnburg und Würzburg mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 105km/h durch blühende Landschaften.  Für die Strecke Nürnberg – Frankfurt braucht man ca. 2 Stunden, das ist auch nicht wirklich schneller. Dieses Wunderwerk der Technik hat im Jahr 1988, also vor 30 Jahren, einen Geschwindigkeitsweltrekord von über 400km/h aufgestellt. Die Menschen waren damals begeistert, die bis dahin einzige Hoch-geschwindigkeitsstrecke von Hannover nach Würzburg in 2 Stunden zu fahren. In 30 Jahren kamen dann die Strecken Köln – Frankfurt, Hannover – Berlin, Nürnberg – München und Nürnberg - Berlin dazu. Es könnten mehr sein, Kröten, Frösche und Unken müssen aber geschützt werden, insofern tragen diese Tierchen zum Klimawandel bei!

 

Verspätungen sind an der Tagesordnung, Schäden an der Bahn-/Gleistechnik ebenfalls. Wenn man oft fährt, werden all diese Vorkommnisse zur Normalität. Es gibt halt keine wirkliche Alternative, das Auto ist auf Langstrecken von Zentrum zu Zentrum nicht wirklich schneller. Das ist gelebtes Mittelmaß, wir akzeptieren es aber, „Mittelmaß wird zur normativen Kraft des Faktischen“! Vgl. auch die Fahrpläne der Deutschen Reichsbahn aus dem Jahr 1936, die fuhr teilweise auf solchen Strecken mit Dampflokomotiven schneller!

 

Was bedeutet das unternehmerisch? Mittelmaß fängt an, wenn wir Sachverhalte „schönreden“, wir suchen nach Erklärungen, fühlen uns aber mit dem Ergebnis nicht wirklich zufrieden. „Faule Kompromisse“ sind ebenfalls ein Indikator. Sprachgestalterisch drückt sich das auch in „suboptimal“ aus! Wir gewöhnen uns im Zeitablauf daran, schlaue Menschen sagen, „man muss Kompromisse eingehen“! Ein guter Kompromiss unterscheidet sich erheblich von einem „faulen Kompromiss“!

 

Sich zu empören und zu fordern ist einfach, man bedenke jedoch, dass es die Unternehmen und oftmals auch die Politik sind, die überzogene Standards für sich reklamieren.

 

Im Fall der Deutschen Bahn ändert das aber nichts an der Tatsache, dass die Chinesen die Strecke von Shanghai nach Honkong (2.300km) in 7 Stunden dank erstklassiger deutscher Bahntechnik von Siemens bewältigen.

 

In Deutschland versuchen wir die durchschnittliche Intelligenz oder das Mittelmaß strukturiert zu erhöhen, so sind wir Deutschen, gemäß dem Prinzip „Try Harder“ oder wie sagte schon Monaco Franze „a bisserl was geht immer“! Das Bessere ist der natürliche Feind des Mittelmaßes! Jeder strebt das Bessere an, er fürchtet sich aber zugleich davor – der Besitzstand könnte gefährdet werden! 

 

Nehmen Sie diese Anregung bitte mit in diese Woche, getreu dem Satz von Walter Rathenau „Denken heißt Vergleichen“. Vergleichen Sie bitte!